Bluttest könnte Alzheimer-Risiko Jahre im Voraus erkennen
Eine neue wegweisende Studie zeigt, dass bestimmte Biomarker im Blut das Risiko für Demenz und Alzheimer bereits ein Jahrzehnt vor dem Auftreten von Symptomen vorhersagen können. Diese Entdeckung könnte die Art und Weise revolutionieren, wie wir Alzheimer-Krankheit frühzeitig erkennen und behandeln.
Forscher der Karolinska Institutet in Schweden haben in einer umfangreichen Langzeitstudie 2.148 ältere Erwachsene über bis zu 16 Jahre beobachtet. Die Ergebnisse, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht wurden, zeigen, dass bestimmte im Blut nachweisbare Proteine stark mit dem späteren Auftreten von Demenz zusammenhängen.
Einfache Bluttests statt aufwendiger Untersuchungen
Die Diagnose der Alzheimer-Krankheit erforderte bisher oft schmerzhafte Lumbalpunktionen zur Entnahme von Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit oder teure Gehirn-Scans. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass ein einfacher Bluttest eine praktikable Alternative sein könnte, besonders für die breite Bevölkerung.
“Im Vergleich zu anderen Methoden zur Messung von AD-Biomarkern (zum Beispiel Sammlung von Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) des Gehirns) ist die Blutentnahme weniger invasiv, skalierbar und weitgehend zugänglich in Gemeindesettings, was zu Zeit- und Kosteneinsparungen führt”, erklären die Autoren der Studie.
Die Forscher untersuchten sechs spezifische Biomarker im Blut: das Verhältnis von Amyloid-β 42 zu Amyloid-β 40, sowie die Spiegel von phosphoryliertem Tau an T217 (p-tau217), phosphoryliertem Tau an T181 (p-tau181), Gesamt-Tau, Neurofilament Light Chain (NfL) und saures Gliafaserprotein (GFAP).
Vier vielversprechende Biomarker identifiziert
Die Studie ergab, dass insbesondere vier dieser Biomarker – p-tau181, p-tau217, NfL und GFAP – mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung von Demenz verbunden waren. Menschen mit höheren Konzentrationen dieser Proteine im Blut hatten ein deutlich höheres Risiko, innerhalb der nächsten zehn Jahre an Demenz zu erkranken.
“Wir haben festgestellt, dass kognitiv intakte ältere Erwachsene mit höheren Spiegeln von p-tau181, p-tau217, NfL und GFAP ein höheres Risiko haben, sowohl allgemeine als auch Alzheimer-Demenz zu entwickeln, als diejenigen mit niedrigeren Biomarker-Spiegeln, wobei sich ein nicht-lineares Dosis-Wirkungs-Verhältnis zeigt”, berichten die Forscher.
Besonders bemerkenswert war die Fähigkeit dieser Biomarker, das Nicht-Vorhandensein einer drohenden Demenz vorherzusagen. Die Tests zeigten negative Vorhersagewerte von über 90 Prozent, was bedeutet, dass Personen mit niedrigen Biomarker-Spiegeln mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten zehn Jahren keine Demenz entwickeln werden.
Kombination von Biomarkern verbessert die Vorhersage
Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Kombination verschiedener Biomarker die Vorhersagegenauigkeit weiter verbesserte. Besonders die Kombination von p-tau217 mit NfL zeigte die beste Leistung bei der Vorhersage von allgemeiner Demenz, während die Kombination von p-tau217 mit GFAP am besten für die Vorhersage von Alzheimer-Demenz geeignet war.
“Verbesserte Vorhersagen für Demenz wurden durch die Kombination verschiedener Biomarker erzielt, wobei die positiven Vorhersagewerte bis zu 43 Prozent erreichten, während gleichzeitig hohe negative Vorhersagewerte beibehalten wurden”, erklären die Forscher.
Diese Ergebnisse sind besonders bedeutsam, da sie aus einer allgemeinen Bevölkerungsstudie stammen und nicht, wie viele frühere Studien, aus spezialisierten Gedächtniskliniken. Die Teilnehmer waren durchschnittliche ältere Erwachsene aus der Gemeinde und nicht Patienten, die bereits kognitive Beschwerden hatten.
Implikationen für die Früherkennung und Prävention
Die Ergebnisse legen nahe, dass Blut-Biomarker-Tests in Zukunft als Screening-Instrument eingesetzt werden könnten, um Personen mit erhöhtem Demenzrisiko zu identifizieren. Dies könnte frühe Interventionen ermöglichen, lange bevor Symptome auftreten.
Dr. Giulia Grande, Hauptautorin der Studie, erklärt: “Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Biomarker das Potenzial haben, eine bevorstehende Demenz in Gemeinschaftsumgebungen auszuschließen, aber sie müssen möglicherweise mit anderen biologischen oder klinischen Markern kombiniert werden, um als Screening-Tools verwendet zu werden.”
Die Forscher weisen darauf hin, dass die niedrigen positiven Vorhersagewerte der einzelnen Biomarker bedeuten, dass diese allein nicht ausreichen, um eine sichere Diagnose zu stellen. Die Tests eignen sich derzeit besser dazu, Personen zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Demenz entwickeln werden, als positiv jene zu identifizieren, die erkranken werden.
Ausblick auf zukünftige Anwendungen
Diese Forschung könnte den Weg für neue klinische Leitlinien ebnen, die Bluttests als Teil der routinemäßigen Gesundheitsvorsorge für ältere Erwachsene empfehlen. Solche Tests könnten besonders für Personen mit Gedächtnisbeschwerden oder familiärer Vorbelastung wertvoll sein.
“Diese Arbeit legt den Grundstein für weitere Untersuchungen zu den potenziellen therapeutischen Anwendungen der Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness oder der Myelinisierung zur Förderung eines gesunden Gehirnalterns und zur Bekämpfung altersbedingter Neurodegeneration, einschließlich der Alzheimer-Krankheit”, schreiben die Forscher.
Die Studie unterstreicht auch die Bedeutung der regelmäßigen kognitiven Überprüfung bei älteren Erwachsenen. Diejenigen mit erhöhten Biomarker-Spiegeln könnten von engmaschigerer Überwachung und frühzeitigen Interventionen profitieren, um den kognitiven Abbau zu verlangsamen.
Zusammenfassung der Forschungsstudie
Methodik
Die Studie umfasste 2.148 demenzfreie ältere Erwachsene aus Schweden, die bis zu 16 Jahre lang beobachtet wurden. Die Forscher maßen sechs AD-Blutbiomarker zu Studienbeginn und verfolgten, welche Teilnehmer im Laufe der Zeit eine allgemeine oder Alzheimer-Demenz entwickelten. Die Analysen berücksichtigten zahlreiche Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung, Krankheitsdiagnosen und APOE-Genotyp.
Schlüsselergebnisse
- Erhöhte Ausgangswerte von p-tau181, p-tau217, NfL und GFAP waren mit einem signifikant erhöhten Risiko für allgemeine und Alzheimer-Demenz verbunden.
- Diese Biomarker zeigten eine gute Vorhersageleistung für 10-Jahres-Demenz mit AUC-Werten zwischen 70,9% und 82,6%.
- Negative Vorhersagewerte lagen über 90%, während positive Vorhersagewerte niedrig waren.
- Die Kombination von Biomarkern verbesserte die Vorhersagegenauigkeit erheblich.
Einschränkungen der Studie
Die Demenzdiagnosen basierten ausschließlich auf klinischen Daten ohne Verwendung von Neuroimaging oder Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit-Biomarkern, was zu Fehlklassifikationen führen könnte. Die Biomarker wurden im Serum gemessen, was ihre Bioverfügbarkeit im Vergleich zu Plasma beeinflussen kann. Zudem fehlten bei der Baseline-Untersuchung viele Daten zu Biomarkern.
Diskussion & wichtigste Erkenntnisse
Diese Studie liefert wichtige Beweise für die klinische Validität von Blut-Biomarkern in der allgemeinen Bevölkerung. Die hohen negativen Vorhersagewerte deuten darauf hin, dass diese Tests wertvoll sein könnten, um bevorstehende Demenz auszuschließen und unnötige medizinische Eingriffe zu vermeiden. Zukünftige Forschung sollte sich auf die Integration mehrerer Biomarker und die Fokussierung auf Risikogruppen konzentrieren, um die Früherkennung von Demenz zu verbessern.
Quelle
Grande, G., Valletta, M., Rizzuto, D. et al. Blood-based biomarkers of Alzheimer’s disease and incident dementia in the community. Nat Med (2025). https://doi.org/10.1038/s41591-025-03605-x



