Guide zur Amyotrophen Lateralsklerose (ALS)
Zusammenfassung
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine seltene, unheilbare neurodegenerative Erkrankung, die zu fortschreitender Lähmung der Muskulatur führt. Dieser Leitfaden bietet Betroffenen und ihren Familien evidenzbasierte Informationen zu Symptomen, Diagnostik, Therapiemöglichkeiten und Unterstützungsnetzwerken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Praktische Tipps und Ressourcen helfen, den Alltag mit ALS besser zu bewältigen.
1. Was ist ALS?
ALS ist eine Erkrankung des motorischen Nervensystems, bei der Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark degenerieren. Dies führt zu Muskelschwäche, Atrophie und schließlich zur Lähmung der Skelett-, Sprech-, Schluck- und Atemmuskulatur. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 2.500 Menschen neu, insgesamt leben hierzulande 8.000–9.000 Betroffene. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 3–5 Jahren, jedoch sind langsamere Verläufe wie bei Stephen Hawking möglich.
2. Symptome und Krankheitsverlauf
Frühzeichen
- Muskelschwäche: Ungeschicklichkeit der Hände, Gangunsicherheit (60–70% der Fälle).
- Bulbäre Symptome: Schluck- und Sprachstörungen (30–40% der Fälle).
- Muskelzuckungen (Faszikulationen)und schmerzhafte Krämpfe.
Fortgeschrittenes Stadium
- Mobilitätseinschränkungen: Rollstuhlabhängigkeit, Verlust der Feinmotorik.
- Dysarthrie: Unfähigkeit zu sprechen, Kommunikation über Augensteuerungshilfen.
- Ateminsuffizienz: Notwendigkeit nicht-invasiver Beatmung (NIV) oder Tracheostomie.
Prognosefaktoren
Die ALS-Progressionsrate (ALSPR) wird anhand der ALSFRS-R-Skala berechnet und hilft, den Verlauf einzuschätzen. Biomarker wie Neurofilament Light Chain (NfL) korrelieren mit der Progression.
3. Diagnostik
Die Diagnose erfolgt durch Neurologen und umfasst:
- Klinische Untersuchung: Muskelschwund, Reflexe, Spastik.
- Elektromyographie (EMG): Unterscheidung von anderen neuromuskulären Erkrankungen.
- Genetische Testung: Bei familiärer ALS (5% der Fälle) werden Mutationen inC9orf72, SOD1, FUS oder TARDBP analysiert.
- Bildgebung: MRT zum Ausschluss anderer Ursachen.
Wichtig: Stationäre Erstdiagnostik in spezialisierten Zentren wie der ALS-Ambulanz der Charité Berlin oder dem Universitätsklinikum Ulm
4. Therapie und Unterstützung
Medikamentöse Behandlung
- Riluzol: Verlangsamt die Progression um etwa 2–3 Monate
- Tofersen: Zugelassen fürSOD1-Mutationen
- Symptomkontrolle: Medikamente gegen Speichelfluss (z. B. Botox-Injektionen), Krämpfe und Schmerzen
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
- Atemtherapie: NIV-Maskenbeatmung bei respiratorischer Insuffizienz
- Ernährung: PEG-Sonde bei Schluckstörungen
- Physio- und Ergotherapie: Erhalt der Mobilität und Selbstständigkeit
Psychosoziale Unterstützung
- Palliativversorgung: Frühzeitige Planung mit Spezialisten
- Selbsthilfegruppen: DGM (Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke) undALS-mobil e.V. bieten bundesweit Austausch
- Pflege: Antrag auf Pflegegrad bei der Krankenkasse (z. B. Pflegegrad 3–5 in Deutschland)
5. Praktische Tipps für den Alltag
Kommunikation
- Sprachcomputer: Augensteuerungssysteme wieTobii Dynavox
- Notfallplan: Klare Anweisungen für Angehörige und Pflegende
Hilfsmittel
- Mobilität: Elektrorollstühle mit Sitzlift (Kostenübernahme durch Krankenkasse).
- Hygiene: Badumbau mit Duschsitz und Haltegriffen
Finanzielle Entlastung
- Spendenaktionen: Plattformen wieGoFundMe helfen bei Kosten für Umbauten oder 24-Stunden-Pflege
- Sozialleistungen: Pflegegeld, Schwerbehindertenausweis und Haushaltshilfen beantragen
6. Unterstützungsnetzwerke im DACH-Raum
Deutschland
- DGM: Beratung, Gesprächskreise und Patientenhandbuch unter org
- ALS-Ambulanz Charité: Forschung und interdisziplinäre Betreuung (als-charite.de)
Österreich
- ALS Austria: Informationen und regionale Anlaufstellen unter als-austria.at.
Schweiz
- ALS Schweiz: Kostenlose Beratung und Hilfsmittelvermittlung (ch)
7. Aktuelle Forschung und Hoffnungsträger
- Gen-Silencing: Therapien wie Tofersen (fürSOD1) und Studien zu FUS-Mutationen
- Stammzellforschung: Experimentelle Ansätze zur Regeneration von Motoneuronen
- Klinische Studien: Übersichten zu laufenden Studien untergov.
8. Wichtige Ressourcen
- Leitlinien: S3-Leitlinie “Amyotrophe Lateralsklerose” der DGN (org)
- Patientenratgeber: Kostenlose Handbücher der DGM und Neurologienetz
- Notfallpass: Dokumentation von Behandlungswünschen (Download unter org)
Hinweis: Dieser Leitfaden ersetzt keine ärztliche Beratung. Bei individuellen Fragen wenden Sie sich an Ihren Neurologen oder spezialisierte Zentren.
Weiterführende Links
- Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM)
- ALS-Ambulanz Charité Berlin
- Österreichische ALS-Gesellschaft
- Schweizerische ALS-Vereinigung
Mit evidenzbasierten Informationen und einer starken Gemeinschaft lässt sich der Weg mit ALS besser gestalten. Bleiben Sie informiert und vernetzt!