Krafttraining schlägt Ausdauersport bei Blutzuckerkontrolle
Neue Studie zeigt: Krafttraining verbessert Insulinsensitivität und Blutzuckerwerte bei Übergewicht effektiver als Ausdauersport – wichtige Erkenntnisse für Diabetiker.
Gewichtheben als Geheimwaffe gegen Diabetes?
Jahrzehntelang galt Ausdauersport als das Nonplusultra für Menschen mit Typ-2-Diabetes oder Übergewicht. Doch eine bahnbrechende neue Studie stellt diese Annahme auf den Kopf: Krafttraining könnte tatsächlich die wirksamere Trainingsform sein, wenn es darum geht, den Blutzucker zu kontrollieren und die Insulinempfindlichkeit zu verbessern – und das unabhängig von Muskelmasse oder sportlicher Leistung.
Warum diese Forschung so wichtig ist
Typ-2-Diabetes und Adipositas (krankhaftes Übergewicht) sind zwei der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Während Medikamente wie GLP-1-Agonisten zwar wirksam sind, beheben sie nicht die zugrundeliegende Insulinresistenz (die verminderte Fähigkeit des Körpers, auf das Hormon Insulin zu reagieren). [1] Sport hingegen greift direkt in den Stoffwechsel ein – doch welche Trainingsart ist am effektivsten?
Bisherige präklinische Studien konnten Ausdauer- und Krafttraining nicht direkt vergleichen, da es an geeigneten Tiermodellen mangelte. [2] Genau diese Lücke schließt die neue Untersuchung aus dem Journal of Sport and Health Science.
Die Studie im Detail: Ein fairer Vergleich
Forscher der University of Virginia führten eine achtwöchige Studie mit männlichen Mäusen durch, die eine fettreiche Diät erhielten – ein etabliertes Modell für ernährungsbedingte Fettleibigkeit. [2] Die Tiere wurden in vier Gruppen eingeteilt:
- Normalfutter ohne Training
- Fettreiche Diät ohne Training
- Fettreiche Diät mit Ausdauertraining (freiwilliges Laufradtraining)
- Fettreiche Diät mit Krafttraining (innovatives Gewichthebe-Modell)
Das Besondere: Die Forscher nutzten ein neuartiges Krafttraining-System, bei dem Mäuse freiwillig bis zu 240% ihres Körpergewichts heben mussten, um an ihr Futter zu gelangen – ähnlich wie Kniebeugen beim Menschen. [2]
Überraschende Ergebnisse: Krafttraining gewinnt
Fettabbau: Krafttraining hat die Nase vorn
Beide Trainingsformen verhinderten deutliche Gewichtszunahme im Vergleich zu bewegungslosen Tieren auf fettreicher Diät. Doch beim Fettabbau zeigte sich ein klarer Unterschied: Das Krafttraining reduzierte viszerales Bauchfett (das gefährliche Fett um die Organe herum) und subkutanes Fett (Unterhautfett) signifikant stärker als Ausdauertraining. [2]
Ausdauertraining hingegen führte zu einer Zunahme des braunen Fettgewebes (das “gute” Fett, das Kalorien verbrennt) – ein typischer Effekt dieser Trainingsart.
Der entscheidende Vorteil: Bessere Blutzuckerkontrolle
Der wichtigste Befund: Krafttraining übertraf Ausdauertraining bei allen Messungen der Stoffwechselgesundheit:
- HOMA-IR-Wert (ein Maß für Insulinresistenz): Nur die Krafttrainingsgruppe zeigte signifikante Verbesserungen [2]
- Glukosetoleranztest: Krafttraining normalisierte die Blutzuckerreaktion vollständig, während Ausdauertraining nur teilweise wirkte [2]
- Insulintoleranztest: Krafttraining zeigte deutlich robustere Verbesserungen der Insulinempfindlichkeit [2]
Was nicht verändert wurde
Interessanterweise führte Krafttraining nicht zu erhöhter Muskelmasse oder besserer Muskelkraft unter den gegebenen Bedingungen. Ausdauertraining steigerte erwartungsgemäß die Ausdauerleistung und erhöhte die Muskel- und Herzmasse. [2] Die Herzfunktion blieb in allen Gruppen unverändert.
Was bedeutet das für Patienten?
Die anabole Sensitivität macht den Unterschied
Die Forscher erklären die überlegenen Effekte des Krafttrainings mit einer verbesserten “anabolen Sensitivität” – der Fähigkeit des Körpers, auf aufbauende Signale wie Insulin zu reagieren. [2] Diese Verbesserung trat unabhängig von Muskelwachstum oder Leistungssteigerung auf.
Das ist eine wichtige Erkenntnis: Man muss keine sichtbaren Muskeln aufbauen, um die Stoffwechselvorteile des Krafttrainings zu ernten.
Praktische Empfehlungen
Für Menschen mit Typ-2-Diabetes oder Prädiabetes bedeuten diese Ergebnisse:
- Krafttraining sollte Priorität haben: Während Ausdauersport weiterhin wichtig ist, könnte Krafttraining die effektivere Methode zur Blutzuckerkontrolle sein
- Kombinationstraining ist ideal: Mehrere klinische Studien zeigen, dass die Kombination beider Trainingsarten die besten Gesamtergebnisse liefert [3,4]
- Regelmäßigkeit zählt: Die Verbesserungen traten nach achtwöchigem konsequenten Training auf – Geduld und Beständigkeit sind entscheidend
Einschränkungen und offene Fragen
Die Studie wurde ausschließlich mit jungen männlichen Mäusen durchgeführt. [2] Geschlechtsunterschiede in der Trainingsreaktion sind bekannt, wobei Meta-Analysen beim Menschen zeigen, dass sowohl Männer als auch Frauen ähnlich gut auf Krafttraining ansprechen. [5,6]
Außerdem war die achtwöchige Hochfettdiät noch nicht lang genug, um schwere Muskel- oder Herzschäden zu verursachen. Bei länger bestehendem Diabetes könnten die Effekte unterschiedlich ausfallen.
Ausblick: Der Weg nach vorne
Diese Forschung unterstreicht, dass Sport mehr ist als nur “Kalorien verbrennen”. Die spezifische Art der Bewegung beeinflusst, wie unser Körper Nährstoffe verarbeitet und auf Hormone reagiert. [7]
Für Ärzte und Patienten bedeutet das: Trainingsempfehlungen sollten individualisiert werden. Menschen mit Insulinresistenz oder Typ-2-Diabetes könnten besonders von Krafttraining profitieren, auch wenn sie keine Gewichte stemmen können – bereits Übungen mit dem eigenen Körpergewicht wirken.
Die Botschaft ist klar: Bewegung bleibt die wirksamste “Medizin” gegen Stoffwechselerkrankungen. Und beim Krafttraining geht es nicht um Muskelmasse, sondern um Stoffwechselgesundheit.
Referenzen
[1] Shi Q, Nong K, Vandvik PO, et al. Benefits and harms of drug treatment for type 2 diabetes: Systematic review and network meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 2023;381:e074068.
[2] Shute RJ, Montalvo RN, Shen W, et al. Weightlifting outperforms voluntary wheel running for improving adiposity and insulin sensitivity in obese mice. Journal of Sport and Health Science 2025. https://doi.org/10.1016/j.jshs.2025.101100
[3] Church TS, Blair SN, Cocreham S, et al. Effects of aerobic and resistance training on hemoglobin A1c levels in patients with type 2 diabetes: A randomized controlled trial. JAMA 2010;304:2253-62.
[4] Sigal RJ, Kenny GP, Boule NG, et al. Effects of aerobic training, resistance training, or both on glycemic control in type 2 diabetes: A randomized trial. Ann Intern Med 2007;147:357-69.
[5] Hawley SE, Bell ZW, Huang Y, et al. Evaluation of sex-based differences in resistance exercise training-induced changes in muscle mass, strength, and physical performance in healthy older adults. Ageing Res Rev 2023;91:102023.
[6] Prat-Luri A, Lopez-Valenciano A, Sarabia-Cachadina E, et al. Sex differences in the glycemic response to structured exercise interventions in adults with type II diabetes mellitus: A systematic review. Int J Exerc Sci 2022;15:948-61.
[7] Stanford KI, Goodyear LJ. Exercise and type 2 diabetes: Molecular mechanisms regulating glucose uptake in skeletal muscle. Adv Physiol Educ 2014;38:308-14.
Zitierte Quelle: Shute RJ, Montalvo RN, Shen W, Guan Y, Yu Q, Zhang M, Yan Z. Weightlifting outperforms voluntary wheel running for improving adiposity and insulin sensitivity in obese mice. Journal of Sport and Health Science 2025. DOI: 10.1016/j.jshs.2025.101100



