Neue schwedische Langzeitstudie liefert überzeugende Beweise für den Einfluss der Ernährung auf den MS-Verlauf
Eine bahnbrechende Studie aus Schweden hat wichtige Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Fischkonsum und dem Verlauf der Multiplen Sklerose (MS) geliefert. Die Forschungsergebnisse, die kürzlich im Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass eine fischreiche Ernährung mit einem deutlich verlangsamten Fortschreiten der Behinderung bei MS-Patienten verbunden sein könnte.
Die Studie im Überblick
Das Forscherteam um Eva Johansson und Dr. Anna Karin Hedström vom Karolinska Institut in Stockholm verfolgte über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren den Gesundheitszustand von 2.719 Personen, bei denen neu MS diagnostiziert worden war. Die Teilnehmer waren Teil der bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie “Epidemiological Investigation of MS” (EIMS).
Zu Beginn der Studie wurden detaillierte Informationen zum Fischkonsum der Teilnehmer erhoben, wobei zwischen magerem Fisch (Fettgehalt <3%, wie Kabeljau oder Seelachs) und fettem Fisch (Fettgehalt >3%, wie Hering, Makrele oder Lachs) unterschieden wurde. Die Teilnehmer wurden nach ihrer Konsumhäufigkeit kategorisiert: selten/nie, 1-3 Mal pro Monat oder wöchentlich/täglich.
Die wichtigsten Ergebnisse
Die Resultate der Studie sind beeindruckend:
- Reduziertes Risiko für bestätigte Verschlechterung der Behinderung (CDW): Teilnehmer mit dem höchsten Gesamtfischkonsum hatten ein um 34% geringeres Risiko für eine bestätigte Verschlechterung der Behinderung im Vergleich zu Teilnehmern mit geringem Fischkonsum (HR 0,66, 95% KI 0,51-0,86).
- Verlangsamtes Fortschreiten zu höheren EDSS-Werten: Personen mit hohem Fischkonsum hatten ein um 45% reduziertes Risiko, einen EDSS-Wert von 3 zu erreichen (HR 0,55, 95% KI 0,39-0,79) und ein um 43% reduziertes Risiko, einen EDSS-Wert von 4 zu erreichen (HR 0,57, 95% KI 0,33-0,96).
- Stärkerer Effekt bei konsistentem Konsum: Der Schutzeffekt war besonders ausgeprägt bei Patienten, die während des gesamten Nachbeobachtungszeitraums konstant viel Fisch konsumierten.
- Vorteil auch bei Ernährungsumstellung: Interessanterweise zeigten Patienten, die ihren Fischkonsum nach der Diagnose erhöhten, ebenfalls ein reduziertes Risiko für Behinderungsfortschritt im Vergleich zu denen, die weiterhin wenig Fisch aßen.
Warum Fisch bei MS helfen könnte
Die Forscher diskutieren mehrere mögliche Mechanismen, durch die Fischkonsum den MS-Verlauf positiv beeinflussen könnte:
- Omega-3-Fettsäuren: Besonders fettreiche Fische enthalten viele Omega-3-Fettsäuren, die für ihre entzündungshemmenden Eigenschaften bekannt sind und mit einer reduzierten Entzündung bei MS in Verbindung gebracht wurden.
- Taurin: Diese Aminosäure kommt in signifikanten Mengen in Fisch und Meeresfrüchten vor. Taurin ist die häufigste freie Aminosäure im Gehirn und hat zellschützende Wirkung durch antioxidative und entzündungshemmende Effekte, was es zu einem potenziellen therapeutischen Wirkstoff für neurologische Erkrankungen macht.
- Einfluss auf die Darmflora: Die Ernährung beeinflusst maßgeblich die Zusammensetzung der Darmflora, welche wiederum die Produktion und den Stoffwechsel von Fettsäuren mit potenziell immunmodulatorischen Effekten beeinflussen kann.
Interessanterweise zeigte die Studie, dass Vitamin D nur einen marginalen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Fischkonsum und dem Fortschreiten der Behinderung hatte. Dies deutet darauf hin, dass andere Nährstoffe in Fisch die primären Faktoren für die beobachteten Vorteile sein könnten.
Praktische Empfehlungen für MS-Patienten
Basierend auf diesen Forschungsergebnissen könnten folgende Empfehlungen für Menschen mit MS hilfreich sein:
1. Erhöhen Sie Ihren Fischkonsum
Versuchen Sie, regelmäßig sowohl mageren als auch fetten Fisch in Ihre Ernährung einzubauen. Die stärksten positiven Effekte wurden bei Personen beobachtet, die beide Fischarten regelmäßig verzehrten. Ein gutes Ziel könnte sein, mindestens einmal pro Woche mageren und einmal pro Woche fetten Fisch zu konsumieren.
2. Setzen Sie auf Vielfalt
Integrieren Sie verschiedene Fischarten in Ihren Speiseplan:
- Fettreiche Fische: Hering, Makrele, Thunfisch, Lachs und Forelle
- Magere Fische: Kabeljau, Seelachs, Schellfisch, Wittling und Zander
3. Achten Sie auf die Zubereitung
Die Studie erwähnte zwar nicht die Zubereitungsmethoden, aber aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist es empfehlenswert, Fisch schonend zuzubereiten (gedünstet, gebacken oder gegrillt), um die wertvollen Nährstoffe optimal zu erhalten.
4. Langfristig denken
Die Studie zeigt, dass ein konstanter, langfristiger Fischkonsum die deutlichsten Vorteile bietet. Versuchen Sie, Fisch als regelmäßigen Bestandteil Ihrer Ernährung zu etablieren, anstatt ihn nur gelegentlich zu essen.
5. Auch nach der Diagnose noch sinnvoll
Selbst wenn Sie bisher wenig Fisch gegessen haben, legen die Ergebnisse nahe, dass eine Erhöhung des Fischkonsums nach der Diagnose immer noch vorteilhaft sein kann.
Limitationen der Studie
Wie bei jeder wissenschaftlichen Untersuchung gibt es auch bei dieser Studie einige Einschränkungen zu beachten:
- Die Informationen zum Fischkonsum wurden durch Selbstangaben der Teilnehmer erhoben, was zu Ungenauigkeiten führen kann.
- Es wurden keine Informationen zu Zubereitungsmethoden des Fisches erhoben, die den Nährwert beeinflussen können.
- Obwohl die Forscher für zahlreiche Faktoren kontrollierten, können unbekannte Störfaktoren nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Fazit: Ernährung als Ergänzung zur medizinischen Therapie
Diese Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass die Ernährung, insbesondere der Fischkonsum, einen positiven Einfluss auf den Verlauf der MS haben kann. Dies unterstreicht die potenzielle Rolle der Ernährung als ein modifizierbarer Faktor, der bestehende therapeutische Strategien ergänzen könnte.
Für Menschen mit MS könnte ein erhöhter Fischkonsum eine einfache, aber wirksame Möglichkeit sein, die eigene Gesundheit positiv zu beeinflussen. Natürlich sollte diese Ernährungsanpassung immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen und als Ergänzung zu – nicht als Ersatz für – medikamentöse Therapien betrachtet werden.
Die Studie unterstreicht einmal mehr, wie wichtig ein ganzheitlicher Ansatz bei der Behandlung von MS ist, der neben medikamentösen Therapien auch Lebensstilfaktoren wie Ernährung berücksichtigt.
Quelle:
Eva Johansson et al, Impact of fish consumption on disability progression in multiple sclerosis, Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry (2025). DOI: 10.1136/jnnp-2024-335200