Leitfaden für Patienten und Angehörige 💤 😴
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Schlafapnoe?
- Formen der Schlafapnoe
- Symptome und Anzeichen
- Risikofaktoren
- Diagnoseverfahren
- Behandlungsmöglichkeiten
- Leben mit Schlafapnoe
- Tipps für Angehörige
- Ressourcen und Hilfsangebote
- Häufig gestellte Fragen
1. Was ist Schlafapnoe?
Schlafapnoe ist eine ernsthafte Schlafstörung, bei der die Atmung während des Schlafs wiederholt aussetzt. Diese Atemaussetzer können wenige Sekunden bis zu einer Minute dauern und treten teilweise bis zu hundert Mal pro Nacht auf. Jeder Atemaussetzer führt zu einer kurzzeitigen Weckreaktion des Gehirns, wodurch der erholsame Tiefschlaf gestört wird.
Der Begriff “Apnoe” stammt aus dem Griechischen und bedeutet “ohne Atem”. Bei einer Schlafapnoe kommt es zu einem vollständigen Atemstillstand oder einer deutlichen Reduktion des Atemflusses (Hypopnoe).
Warum ist Schlafapnoe gefährlich?
Unbehandelte Schlafapnoe kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen:
- Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkt
- Erhöhtes Schlaganfallrisiko
- Begünstigung von Diabetes Typ 2
- Chronische Tagesmüdigkeit mit erhöhtem Unfallrisiko
- Kognitive Beeinträchtigungen (Konzentrations- und Gedächtnisstörungen)
- Depression und andere psychische Erkrankungen
- Verringerte Lebensqualität und Lebenserwartung
2. Formen der Schlafapnoe
Obstruktive Schlafapnoe (OSA)
Die häufigste Form der Schlafapnoe. Hierbei kommt es zu einem Verschluss der oberen Atemwege, typischerweise durch Erschlaffung der Rachenmuskulatur. Die Atmungsbemühungen des Körpers bleiben bestehen, aber die Luft kann nicht in die Lunge gelangen.
Zentrale Schlafapnoe (ZSA)
Bei dieser selteneren Form fehlt der Atemantrieb vom Gehirn. Das Atemzentrum im Gehirn sendet keine oder unzureichende Signale an die Atemmuskulatur, wodurch es zum Atemstillstand kommt.
Gemischte Schlafapnoe
Eine Kombination aus obstruktiver und zentraler Schlafapnoe, bei der sowohl Atemwegsverengungen als auch Störungen der Atemregulation auftreten.
3. Symptome und Anzeichen
Nächtliche Symptome
- Lautes und unregelmäßiges Schnarchen
- Beobachtete Atemaussetzer während des Schlafs
- Würge- oder Erstickungsgefühle mit plötzlichem Aufwachen
- Unruhiger Schlaf, häufiges Umherwerfen
- Nächtliches Schwitzen
- Häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
- Mundtrockenheit beim Aufwachen
Tagessymptome
- Morgendliche Kopfschmerzen
- Übermäßige Tagesmüdigkeit (Hypersomnie)
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
- Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen oder Depression
- Verminderte Leistungsfähigkeit
- Einschlafneigung in monotonen Situationen (z.B. beim Fernsehen oder Autofahren)
4. Risikofaktoren
Nicht beeinflussbare Faktoren
- Alter: Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko.
- Geschlecht: Männer sind häufiger betroffen als Frauen (im Verhältnis 2:1 bis 3:1). Bei Frauen steigt das Risiko nach der Menopause.
- Genetische Faktoren: Familiäre Häufung durch anatomische Besonderheiten des Gesichtsschädels oder der oberen Atemwege.
- Anatomische Besonderheiten: Vergrößerte Mandeln, kleiner Kiefer, vergrößerte Zunge.
Beeinflussbare Faktoren
- Übergewicht/Adipositas: Einer der Hauptrisikofaktoren durch Fetteinlagerung im Halsbereich.
- Rauchen: Erhöht das Risiko durch Reizung und Schwellung der Atemwege.
- Alkoholkonsum: Verstärkt die Muskelerschlaffung im Rachenbereich.
- Schlafmittel und Beruhigungsmittel: Können die Atemmuskulatur entspannen.
- Rückenlage beim Schlafen: Begünstigt das Zurückfallen der Zunge.
- Nasale Obstruktion: Verstopfte Nase durch Allergien oder anatomische Probleme.
5. Diagnoseverfahren
Erstuntersuchung
- Ausführliche Anamnese: Erfassung der Symptome, Krankengeschichte, Medikation und Risikofaktoren.
- Körperliche Untersuchung: Insbesondere des Nasen-Rachen-Raums, Blutdruckmessung, BMI-Berechnung.
- Fragebögen: Standardisierte Fragebögen wie die Epworth-Schläfrigkeitsskala (ESS).
Ambulante Untersuchungen
- Nächtliche Pulsoxymetrie: Messung des Sauerstoffgehalts im Blut über Nacht.
- Polygrafie: Aufzeichnung von Atemfluss, Atemexkursionen, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Körperlage während des Schlafs.
Polysomnographie (Schlaflabor)
Die Polysomnographie im Schlaflabor ist der Goldstandard der Diagnostik und umfasst:
- Aufzeichnung der Hirnströme (EEG)
- Augenbewegungen (EOG)
- Muskelaktivität (EMG)
- Herzrhythmus (EKG)
- Atemfluss und Atemanstrengung
- Sauerstoffsättigung im Blut
- Körperlage
- Beinbewegungen
- Videoüberwachung
Durch diese umfassende Untersuchung können Schweregrad und Art der Schlafapnoe bestimmt und andere Schlafstörungen ausgeschlossen werden.
6. Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung richtet sich nach der Form und dem Schweregrad der Schlafapnoe sowie den individuellen Bedürfnissen des Patienten.
Allgemeine Maßnahmen
- Gewichtsreduktion: Bereits ein Gewichtsverlust von 10% kann zu einer deutlichen Verbesserung führen.
- Schlafhygiene: Regelmäßige Schlafzeiten, geeignete Schlafumgebung, Vermeidung von Alkohol und Schlafmitteln.
- Lagerungstherapie: Vermeidung der Rückenlage durch spezielle Westen, Kissen oder Rückenlage-Verhinderungshilfen.
- Verzicht auf Alkohol und Nikotin: Besonders in den Abendstunden.
Apparative Therapie
- CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure): Goldstandard bei mittelschwerer bis schwerer OSA. Ein Gerät erzeugt einen kontinuierlichen Überdruck, der die Atemwege offenhält.
- BiPAP-Therapie (Bilevel Positive Airway Pressure): Unterschiedliche Druckniveaus für Ein- und Ausatmung, besonders bei hohem Druckbedarf oder zentraler Schlafapnoe.
- APAP-Therapie (Automatic Positive Airway Pressure): Automatische Druckanpassung je nach Bedarf.
- Adaptive Servoventilation (ASV): Spezialform für zentrale und komplexe Schlafapnoe.
Unterkiefer-Protrusionsschiene
Eine individuell angepasste Zahnschiene, die den Unterkiefer nach vorne verlagert und dadurch den Rachenraum erweitert. Geeignet für leichte bis mittelschwere OSA oder bei CPAP-Intoleranz.
Chirurgische Eingriffe
- Tonsillektomie/Adenotomie: Entfernung vergrößerter Mandeln, besonders bei Kindern.
- Uvulopalatopharyngoplastik (UPPP): Straffung des Gaumensegels.
- Radiofrequenztherapie: Schrumpfung des Gewebes im weichen Gaumen oder an der Zungenbasis.
- Zungengrundreduktion: Verkleinerung der Zungenbasis.
- Kieferchirurgie: Vorverlagerung des Ober- und Unterkiefers.
- Tracheotomie: Anlage eines Luftwegs in der Luftröhre, nur bei schwersten Fällen.
Neurostimulation
- Zungenschrittmacher (Hypoglossus-Stimulation): Elektrische Stimulation des Zungennervs zur Aktivierung der Zungenmuskulatur während des Schlafs.
Medikamentöse Therapie
Aktuell gibt es keine zugelassenen Medikamente speziell für Schlafapnoe. Bei zentraler Schlafapnoe können ggf. Atemstimulanzien wie Acetazolamid zum Einsatz kommen.
7. Leben mit Schlafapnoe
Umgang mit der CPAP-Therapie
- Eingewöhnungsphase: Die Gewöhnung an die Maske und den Luftdruck braucht Zeit. Beginnen Sie mit kurzen Tragezeiten und steigern Sie diese allmählich.
- Maskenauswahl: Es gibt verschiedene Maskentypen (Nasenmaske, Nasen-Mund-Maske, Nasenpolster). Finden Sie mit Ihrem Arzt oder Gerätelieferanten die für Sie passende Maske.
- Befeuchtung: Ein beheizbarer Befeuchter kann Probleme mit trockenen Schleimhäuten lindern.
- Regelmäßige Reinigung: Tägliche Reinigung der Maske und wöchentliche Reinigung des Schlauchsystems.
- Anpassungen: Bei Problemen sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Oft können Druckanpassungen oder Maskenänderungen helfen.
Langzeitmanagement
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Zur Überprüfung der Therapieeffektivität und Anpassung der Einstellungen.
- Compliance-Monitoring: Moderne Geräte speichern Nutzungsdaten, die vom Arzt ausgelesen werden können.
- Gewichtsmanagement: Kontinuierliche Bemühung um Gewichtskontrolle.
- Lebensstilanpassungen: Ausreichend Bewegung, ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum.
Praktische Tipps im Alltag
- Reisen mit CPAP: Kompakte Reisegeräte, internationale Adapter, Trockenakkus für Camping.
- Stromausfälle: Notstromversorgung bei schwerer Schlafapnoe in Betracht ziehen.
- Berufliche Aspekte: Berufsfahrer müssen besondere Auflagen beachten (Fahreignung).
- Versicherungsaspekte: Informationen zur Kostenübernahme der Therapie einholen.
8. Tipps für Angehörige
Unterstützung des Betroffenen
- Verständnis zeigen: Schlafapnoe ist eine ernsthafte Erkrankung und keine bloße Marotte.
- Zur Diagnose ermutigen: Viele Betroffene sind sich ihrer Symptome nicht bewusst.
- Bei der Therapie unterstützen: Positive Verstärkung statt Kritik.
- Geduld in der Anfangsphase: Die Eingewöhnung an die CPAP-Therapie kann Wochen dauern.
Eigener Umgang mit der Situation
- Getrennte Schlafzimmer: Als vorübergehende Lösung in der Diagnosephase oder bei unbehandelter Schlafapnoe in Betracht ziehen.
- Selbstfürsorge: Auch auf den eigenen Schlaf achten.
- Notfallsituationen erkennen: Wissen, wann medizinische Hilfe notwendig ist.
- Selbsthilfegruppen: Auch für Angehörige können Austausch und Unterstützung hilfreich sein.
9. Ressourcen und Hilfsangebote
Deutschland
Medizinische Fachgesellschaften
- Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)
www.dgsm.de
Informationen zu Schlafstörungen, Therapeutensuche, zertifizierte Schlaflabore - Deutsche Atemwegsliga e.V.
www.atemwegsliga.de
Patienteninformationen zu Atemwegserkrankungen
Patientenorganisationen
- Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. (BSD)
www.bsd-selbsthilfe.de
Selbsthilfegruppen, Informationsmaterial, Veranstaltungen - Selbsthilfegruppe Schlafapnoe/Atemstillstand e.V.
www.selbsthilfe-schlafapnoe.de
Beratung, Erfahrungsaustausch, regionale Gruppen
Krankenkassen
Die meisten gesetzlichen Krankenkassen bieten spezielle Programme für Patienten mit Schlafapnoe an:
- Techniker Krankenkasse: www.tk.de
- AOK: www.aok.de
- Barmer: www.barmer.de
Österreich
Medizinische Fachgesellschaften
- Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM)
www.schlafmedizin.at
Informationen zu Schlafstörungen, Verzeichnis von Schlaflaboren
Patientenorganisationen
- Österreichische Lungenunion
www.lungenunion.at
Informationen zu Atemwegserkrankungen inkl. Schlafapnoe
Schweiz
Medizinische Fachgesellschaften
- Schweizerische Gesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie (SGSSC)
www.swiss-sleep.ch
Informationen zu Schlafmedizin, Verzeichnis akkreditierter Schlafzentren
Patientenorganisationen
- Lungenliga Schweiz
www.lungenliga.ch
Beratung und Unterstützung bei Atemwegserkrankungen, CPAP-Beratung
Online-Ressourcen
Informationsportale
- Schlafapnoe-Online
www.schlafapnoe-online.de
Umfangreiches Informationsportal mit Forum - Schlafmagazin
www.schlafmagazin.de
Fachzeitschrift mit Onlinepräsenz
Apps
- MyTherapy: Erinnerung an CPAP-Nutzung, Medikamenteneinnahme
- SnoreLab: Aufzeichnung und Analyse von Schnarchgeräuschen
- SleepScore: Schlafanalyse und Verbesserungsvorschläge
10. Häufig gestellte Fragen
Allgemeine Fragen zur Schlafapnoe
F: Ist Schnarchen gleichbedeutend mit Schlafapnoe?
A: Nein. Zwar schnarchen die meisten Menschen mit Schlafapnoe, aber nicht jeder, der schnarcht, hat auch eine Schlafapnoe. Das entscheidende Merkmal der Schlafapnoe sind die Atemaussetzer.
F: Kann Schlafapnoe von selbst verschwinden?
A: In einigen Fällen, besonders bei Kindern nach Entfernung vergrößerter Mandeln oder bei Erwachsenen nach deutlicher Gewichtsabnahme, kann sich eine Schlafapnoe zurückbilden. In den meisten Fällen ist jedoch eine kontinuierliche Therapie erforderlich.
F: Ist Schlafapnoe vererbbar?
A: Es gibt eine genetische Komponente. Familiäre Faktoren wie die Gesichts- und Kieferanatomie können das Risiko erhöhen. Auch der Umgang mit Risikofaktoren (Ernährung, Bewegung) wird oft familiär geprägt.
Fragen zur Diagnose
F: Wie erkenne ich, ob ich an Schlafapnoe leide?
A: Typische Hinweise sind starkes Schnarchen, beobachtete Atemaussetzer, Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen. Eine sichere Diagnose kann nur ein Arzt stellen.
F: Muss ich für die Diagnose unbedingt ins Schlaflabor?
A: Nicht unbedingt. Oft wird zunächst eine ambulante Untersuchung (Polygrafie) durchgeführt. Bei unklaren Befunden oder Verdacht auf andere Schlafstörungen ist jedoch eine Untersuchung im Schlaflabor (Polysomnographie) notwendig.
F: Wie läuft eine Nacht im Schlaflabor ab?
A: Sie kommen abends ins Schlaflabor, werden mit verschiedenen Sensoren verkabelt und schlafen dann in einem Einzelzimmer. Personal überwacht Ihre Schlafparameter und ist bei Problemen ansprechbar. Am Morgen werden die Sensoren entfernt, und Sie können nach Hause gehen.
Fragen zur Behandlung
F: Muss ich die CPAP-Maske mein Leben lang tragen?
A: Die CPAP-Therapie ist in der Regel eine Dauertherapie. Bei Gewichtsabnahme, operativen Eingriffen oder anderen Veränderungen kann jedoch eine Reevaluation erfolgen und die Therapie angepasst oder ggf. beendet werden.
F: Kann ich mit der CPAP-Maske auf Reisen gehen?
A: Ja, es gibt spezielle Reisegeräte und Transporttaschen. Denken Sie an internationale Adapter und klären Sie bei Flugreisen die Mitnahme als medizinisches Gerät ab.
F: Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Therapie?
A: In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden die Kosten für eine medizinisch notwendige CPAP-Therapie in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die genauen Modalitäten sollten Sie mit Ihrer Kasse klären.
F: Welche Nebenwirkungen kann die CPAP-Therapie haben?
A: Mögliche Nebenwirkungen sind Druckstellen durch die Maske, trockene Schleimhäute, verstopfte Nase, Augentrockenheit oder Blähungen. Die meisten Probleme lassen sich durch Anpassungen der Maske, Druckeinstellungen oder den Einsatz eines Befeuchters beheben.
Fragen für Angehörige
F: Wie kann ich meinen Partner zur Untersuchung motivieren?
A: Sprechen Sie über Ihre Beobachtungen und Sorgen. Betonen Sie die gesundheitlichen Risiken unbehandelter Schlafapnoe und die Verbesserung der Lebensqualität durch eine erfolgreiche Therapie.
F: Ist es normal, dass mein Partner trotz CPAP-Therapie noch schnarcht?
A: Leichte Schnarchgeräusche können trotz CPAP-Therapie auftreten, besonders bei Maskenleckagen. Bei starkem Schnarchen trotz Therapie sollte jedoch der behandelnde Arzt konsultiert werden.
F: Wie gehe ich mit der Geräuschbelästigung durch das CPAP-Gerät um?
A: Moderne CPAP-Geräte sind sehr leise. Problematisch können eher Maskenleckagen sein. Ohrstöpsel für den Partner oder zeitweise getrennte Schlafzimmer in der Eingewöhnungsphase können hilfreich sein.