Wie Sport den Hunger im Gehirn ausschaltet: Neues Molekül entdeckt
Forscher entdecken Lac-Phe, ein beim Sport produziertes Molekül, das Hungersignale im Gehirn blockiert. Diese Entdeckung könnte neue Therapien gegen Adipositas eröffnen.
Der Körper als eigene Apotheke gegen Heißhunger
Stellen Sie sich vor, Ihr Körper produziert während des Trainings ein natürliches Molekül, das wie ein Schalter den Hunger in Ihrem Gehirn ausknipst – ganz ohne Nebenwirkungen. Was wie Science-Fiction klingt, haben Wissenschaftler nun tatsächlich entdeckt. Forscher des Baylor College of Medicine, der Stanford University und des Duncan Neurological Research Institute haben herausgefunden, wie körperliche Aktivität über ein spezielles Molekül namens Lac-Phe direkt auf unser Hungergefühl einwirkt.
Diese bahnbrechende Entdeckung könnte erklären, warum Sport nicht nur Kalorien verbrennt, sondern auch den Appetit zügelt – und sie eröffnet völlig neue Wege zur Behandlung von Übergewicht und damit verbundenen Stoffwechselerkrankungen.
Was ist Lac-Phe und wie entsteht es?
Lac-Phe (N-Lactoyl-Phenylalanin) ist ein sogenanntes Stoffwechselprodukt, also eine Substanz, die unser Körper selbst herstellt. Es entsteht, wenn zwei Moleküle – Laktat (die Milchsäure, die bei intensiver Bewegung in den Muskeln entsteht) und die Aminosäure Phenylalanin – miteinander verbunden werden. Diese Verknüpfung geschieht in speziellen Zellen, darunter Immunzellen wie Makrophagen und Monozyten, die in verschiedenen Organen vorkommen Lac-Phe induces hypophagia by inhibiting AgRP neurons in mice | Nature Metabolism.
Bereits 2022 entdeckten Forscher, dass Lac-Phe nach intensivem Training stark ansteigt – nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Menschen und sogar bei Rennpferden Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule | ScienceDaily. Doch erst jetzt verstehen Wissenschaftler, wie dieses Molekül seine appetitzügelnde Wirkung entfaltet.
Der Hunger-Kontrollraum im Gehirn: So funktioniert der Mechanismus
Um zu verstehen, wie Lac-Phe wirkt, müssen wir einen Blick in eine winzige Region unseres Gehirns werfen: den Hypothalamus (ein etwa pflaumengroßes Areal, das zahlreiche Körperfunktionen steuert, darunter Hunger, Durst und Körpertemperatur).
Im Hypothalamus gibt es zwei wichtige Gruppen von Nervenzellen: AgRP-Neuronen im Nucleus arcuatus, die Hunger auslösen, und PVH-Neuronen im Nucleus paraventricularis, die das Sättigungsgefühl fördern New study sheds light on how exercise helps lose weight.
Normalerweise funktioniert das System so: Die AgRP-Neuronen senden hemmende Signale an die PVH-Neuronen und erzeugen dadurch Hungergefühle. Werden die AgRP-Neuronen abgeschaltet, werden die PVH-Neuronen aktiver, was den Appetit reduziert New study sheds light on how exercise helps lose weight.
Der präzise Wirkmechanismus von Lac-Phe
Die neueste Studie aus dem Jahr 2025 zeigt nun erstmals im Detail, wie Lac-Phe eingreift:
Lac-Phe hemmt direkt die AgRP-Neuronen, wodurch indirekt die appetithemmenden PVH-Neuronen aktiviert werden. Beide Effekte – die Hemmung der AgRP-Neuronen und die Aktivierung der PVH-Neuronen – sind erforderlich, damit Lac-Phe den Appetit reduzieren kann Lac-Phe induces hypophagia by inhibiting AgRP neurons in mice | Nature Metabolism.
Noch faszinierender ist der molekulare Mechanismus dahinter: Lac-Phe wirkt auf ein Protein namens KATP-Kanal, der die Aktivität von Zellen reguliert. Wenn Lac-Phe diese Kanäle in den AgRP-Neuronen aktiviert, werden die Zellen weniger aktiv Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule | ScienceDaily. Die Forscher konnten dies bestätigen, indem sie die KATP-Kanäle mit Medikamenten oder genetischen Werkzeugen blockierten – danach konnte Lac-Phe den Appetit nicht mehr unterdrücken.
Was diese Forschung für Menschen bedeutet
Für Betroffene von Übergewicht und Adipositas
Die ursprüngliche Studie von 2022 zeigte bereits, dass die Gabe von Lac-Phe an übergewichtige Mäuse die Nahrungsaufnahme reduzierte, ohne Bewegung oder Energieverbrauch zu beeinträchtigen. Die chronische Verabreichung von Lac-Phe verringerte das Körperfett und Körpergewicht und verbesserte den Glukosestoffwechsel An exercise-inducible metabolite that suppresses feeding and obesity | Nature.
Die aktuelle Forschung erklärt nun, warum das funktioniert: Die Mäuse fraßen weniger, ohne dass ihr Gesamtverhalten beeinträchtigt wurde, was darauf hindeutet, dass Lac-Phe den Appetit reduziert, ohne negative Nebenwirkungen zu verursachen Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule | ScienceDaily.
Praktische Bedeutung: Training als natürlicher Appetitzügler
Für Menschen, die regelmäßig Sport treiben, hat diese Entdeckung eine ermutigende Botschaft: Große, durch körperliche Aktivität ausgelöste Anstiege der Lac-Phe-Konzentration im Blut wurden auch bei Menschen und Rennpferden beobachtet, was dieses Stoffwechselprodukt als einen robusten molekularen Effektor etabliert, der mit körperlicher Aktivität bei mehreren Säugetierarten verbunden ist An exercise-inducible metabolite that suppresses feeding and obesity | Nature.
Dies bedeutet: Wenn Sie nach dem Training weniger Hunger verspüren, ist das kein Einbildung – es ist ein echter biologischer Mechanismus, der durch Lac-Phe vermittelt wird.
Neue Therapieansätze am Horizont
“Die Ergebnisse deuten auf die aufregende Möglichkeit hin, diesen neu entdeckten Mechanismus für das Gewichtsmanagement zu nutzen”, erklärt Dr. Yong Xu, einer der Hauptautoren der Studie, derzeit an der University of South Florida Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule | ScienceDaily.
Dr. Jonathan Long von der Stanford University School of Medicine betont: “Dieser Befund ist wichtig, weil er hilft zu erklären, wie ein natürlich produziertes Molekül den Appetit beeinflussen kann, indem es mit einer wichtigen Gehirnregion interagiert, die Hunger und Körpergewicht reguliert” Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule | ScienceDaily.
Was kommt als Nächstes?
Obwohl sich diese Studie auf Mäuse konzentrierte, sind die Ergebnisse für Menschen vielversprechend. Zukünftige Forschung wird untersuchen, wie Lac-Phe in verschiedenen Stoffwechselzuständen wirkt (wie Adipositas versus Normalgewicht), wie es ins Gehirn gelangt und ob es sicher und effektiv als Therapie eingesetzt werden kann Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule | ScienceDaily.
Interessante Verbindung: Auch Metformin erhöht Lac-Phe
Eine weitere faszinierende Entdeckung: Metformin, ein weit verbreitetes Erstlinien-Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, erhöht nachweislich die Konzentration des appetithemmenden Stoffwechselprodukts Lac-Phe im Blut Metformin and feeding increase levels of the appetite-suppressing metabolite Lac-Phe in humans | Nature Metabolism. Dies könnte erklären, warum Metformin nicht nur den Blutzucker senkt, sondern auch den Appetit reduziert und zu Gewichtsverlust führen kann.
Was Sie für sich mitnehmen können
Auch wenn Lac-Phe noch nicht als Medikament verfügbar ist, gibt diese Forschung wichtige Einsichten:
Für Ihre Trainingsroutine:
- Intensive körperliche Aktivität produziert natürliche appetitzügelnde Substanzen
- Der reduzierte Hunger nach dem Sport ist ein echter biochemischer Effekt
- Regelmäßige Bewegung unterstützt Gewichtsmanagement über mehrere Mechanismen
Für das Verständnis von Übergewicht:
- Appetitregulation ist ein komplexer biologischer Prozess
- Es gibt natürliche Moleküle in unserem Körper, die Hunger steuern
- Neue Therapieansätze könnten diese körpereigenen Mechanismen nutzen
Grenzen der aktuellen Forschung
Wichtig zu beachten ist, dass die detaillierten Wirkmechanismen bisher hauptsächlich an Mäusen untersucht wurden. Während Lac-Phe auch beim Menschen nach dem Sport ansteigt, müssen weitere Studien zeigen:
- Wie Lac-Phe bei Menschen mit unterschiedlichem Stoffwechsel wirkt
- Welche Dosis für therapeutische Zwecke sicher und wirksam wäre
- Ob es bei langfristiger Anwendung Nebenwirkungen gibt
- Wie genau Lac-Phe die Blut-Hirn-Schranke überwindet
Ausblick: Eine neue Ära der Adipositas-Therapie?
Diese Entdeckung fügt sich in ein wachsendes Verständnis davon ein, wie unser Gehirn Hunger und Sättigung steuert. In einer Zeit, in der Adipositas weltweit zunimmt und herkömmliche Ansätze oft zu kurz greifen, könnte die gezielte Beeinflussung des Lac-Phe-Systems einen völlig neuen Therapieansatz darstellen – einen, der auf den körpereigenen Mechanismen beruht und potenziell weniger Nebenwirkungen hat als bisherige Medikamente.
“Das Verständnis, wie Lac-Phe funktioniert, ist wichtig für die Entwicklung dieses oder ähnlicher Wirkstoffe zu Behandlungen, die Menschen beim Abnehmen helfen können”, betont Dr. Yang He, Assistenzprofessor für Pädiatrie-Neurologie am Baylor College und Forscher am Duncan NRI New study sheds light on how exercise helps lose weight.
Fazit
Die Entdeckung von Lac-Phe als natürlichem Appetitzügler zeigt eindrucksvoll, wie Sport auf molekularer Ebene wirkt. Es geht nicht nur um verbrannte Kalorien – unser Körper produziert während des Trainings Substanzen, die aktiv in unsere Gehirnchemie eingreifen und den Hunger regulieren. Diese Erkenntnis könnte den Weg für innovative Therapien ebnen und gibt Menschen, die mit ihrem Gewicht kämpfen, neue Hoffnung auf wirksame Behandlungsmöglichkeiten.
Referenzen
[1] Liu, H., Li, V.L., Liu, Q. et al. (2025). Lac-Phe induces hypophagia by inhibiting AgRP neurons in mice. Nature Metabolism. DOI: 10.1038/s42255-025-01377-9
[2] Li, V.L., He, Y., Contrepois, K. et al. (2022). An exercise-inducible metabolite that suppresses feeding and obesity. Nature, 606, 785-790. DOI: 10.1038/s41586-022-04828-5
[3] Xiao, S., Guo, T., Perry, C.G.R. et al. (2024). Lac-Phe mediates the effects of metformin on food intake and body weight. Nature Metabolism, 6, 659-669. DOI: 10.1038/s42255-024-01019-6
[4] Scott, B., Zheng, Y., Kishore, P. et al. (2024). Metformin and feeding increase levels of the appetite-suppressing metabolite Lac-Phe in humans. Nature Metabolism, 6, 651-658. DOI: 10.1038/s42255-024-01018-7
[5] Baylor College of Medicine. (2025, September 20). Scientists uncover exercise’s secret hunger-busting molecule. ScienceDaily. Retrieved from www.sciencedaily.com/releases/2025/09/250919085244.htm
Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und ersetzt keine medizinische Beratung. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über individuelle Behandlungsmöglichkeiten bei Übergewicht oder Stoffwechselerkrankungen.



