Käse gegen Demenz? Japanische Studie zeigt überraschenden Zusammenhang
Neue japanische Studie zeigt: Regelmäßiger Käsekonsum könnte das Demenzrisiko um 24% senken. Erfahren Sie, was die Forschung über Käse und Gehirngesundheit verrät.
Kann ein einfaches Lebensmittel vor Demenz schützen?
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen beim Frühstück und genießen ein Stück Käse auf Ihrem Brot. Was wäre, wenn diese kleine Gewohnheit mehr bewirken könnte, als nur Ihren Gaumen zu erfreuen? Eine aktuelle Studie aus Japan legt nahe, dass regelmäßiger Käsekonsum möglicherweise eine Rolle beim Schutz vor Demenz spielen könnte. In einer Zeit, in der weltweit über 50 Millionen Menschen mit Demenz leben – Tendenz steigend – könnte diese Erkenntnis von großer Bedeutung sein.
Was macht Demenz zu einem so dringenden Problem?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Demenz als eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit ein [1]. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bis 2050 könnte sich die Zahl der Betroffenen weltweit mehr als verdreifachen [2]. In Japan, einem der am schnellsten alternden Länder der Welt, sind bereits 12,3% aller Menschen über 65 Jahren betroffen – das entspricht 4,4 Millionen Menschen. Diese Zahl soll bis 2040 auf 5,8 Millionen steigen [3].
Da es bislang keine heilende Behandlung gibt, konzentriert sich die Forschung zunehmend auf Präventionsstrategien. Hier kommt die Ernährung ins Spiel – ein Faktor, den jeder von uns beeinflussen kann.
Die JAGES-Studie: Ein genauer Blick auf Käse und Demenz
Wissenschaftler der Japan Gerontological Evaluation Study (JAGES) untersuchten über drei Jahre hinweg knapp 8.000 ältere Menschen [Jeong et al., 2025]. Die Studie nutzte ein ausgeklügeltes statistisches Verfahren namens Propensity Score Matching (eine Methode zur Angleichung von Vergleichsgruppen), um sicherzustellen, dass beide Gruppen – Käsekonsumenten und Nicht-Konsumenten – in wichtigen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildung und Gesundheitszustand vergleichbar waren.
Die Studienergebnisse im Detail
Die Zahlen sind bemerkenswert, wenn auch mit der nötigen wissenschaftlichen Vorsicht zu interpretieren:
- 3,4% der regelmäßigen Käsekonsumenten entwickelten über drei Jahre eine Demenz
- 4,5% der Nicht-Konsumenten erhielten dieselbe Diagnose
- Das entspricht einem 24% niedrigeren Risiko für Käsekonsumenten (Hazard Ratio: 0,76)
- In absoluten Zahlen: Etwa 11 weniger Demenzfälle pro 1.000 Personen über drei Jahre
Was bedeutet “regelmäßiger Konsum” in dieser Studie? Als Käsekonsument galt, wer mindestens einmal pro Woche Käse aß. Interessanterweise bevorzugten die meisten Teilnehmer (82,7%) Schmelzkäse, während fermentierte Sorten wie Weißschimmelkäse (7,8%) seltener verzehrt wurden [Jeong et al., 2025].
Warum könnte Käse das Gehirn schützen?
Obwohl die Studie keine direkten Mechanismen untersuchte, diskutieren die Forscher mehrere biologisch plausible Erklärungen:
Neuroprotektive Nährstoffe
Käse enthält eine beeindruckende Palette an Inhaltsstoffen, die für die Gehirngesundheit relevant sein könnten:
Vitamin K2: Dieses fettlösliche Vitamin spielt eine wichtige Rolle bei der Gefäßgesundheit und dem Kalziumstoffwechsel im Körper [4]. Gesunde Blutgefäße sind entscheidend für die Hirnfunktion, da das Gehirn auf eine konstante Sauerstoff- und Nährstoffversorgung angewiesen ist.
Proteine und Aminosäuren: Diese Bausteine unterstützen die Aufrechterhaltung und Reparatur von Nervenzellen (Neuronen).
Antioxidantien: Substanzen wie Selen und Vitamin E können helfen, oxidativen Stress (schädliche Zellveränderungen durch aggressive Sauerstoffverbindungen) zu reduzieren, der bei der Demenzentwicklung eine Rolle spielt [17].
Die Darm-Hirn-Achse
Besonders spannend ist die Rolle fermentierter Käsesorten. Diese enthalten bioaktive Peptide (kleine Eiweißmoleküle) und probiotische Bakterienstämme, die über die sogenannte Darm-Hirn-Achse (Verbindungssystem zwischen Verdauungstrakt und Gehirn) wirken könnten [6,19]. Diese Verbindung zwischen Darm und Gehirn ist ein hochaktuelles Forschungsfeld, das zeigt, wie eng unsere Verdauung mit unserer Gehirnfunktion verknüpft ist.
Schutz vor Gefäßerkrankungen
Fermentierte Milchprodukte werden mit einem niedrigeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht [20,21]. Da vaskuläre Probleme (Durchblutungsstörungen) auch das Demenzrisiko erhöhen [22], könnte dies ein indirekter Schutzmechanismus sein.
Was diese Forschung für Sie bedeutet
Die Ergebnisse im Kontext
Es ist wichtig, die Studienergebnisse realistisch einzuordnen: Die absolute Risikoreduktion war mit 1,06 Prozentpunkten moderat. Das bedeutet, dass von 100 Personen, die regelmäßig Käse essen, etwa eine Person weniger an Demenz erkranken würde als in der Vergleichsgruppe.
Dennoch: Auf Bevölkerungsebene, besonders in Ländern mit traditionell niedrigem Käsekonsum wie Japan, könnten selbst kleine Effekte bedeutsam sein. Japan verzeichnet mit 2,7 kg pro Person und Jahr einen deutlich niedrigeren Käseverbrauch als EU-Länder mit über 20 kg [27].
Grenzen der Studie – Was wir nicht wissen
Die Forscher weisen ehrlich auf mehrere Einschränkungen hin [Jeong et al., 2025]:
Keine Informationen zur Portionsgröße: Die Studie erfasste nur die Häufigkeit, nicht die Menge des verzehrten Käses.
Fehlende genetische Daten: Wichtige Risikofaktoren wie das APOE4-Gen (ein bekannter genetischer Risikofaktor für Alzheimer) wurden nicht berücksichtigt.
Demenz-Subtypen unbekannt: Es wurde nicht zwischen verschiedenen Demenzformen wie Alzheimer-Demenz, vaskulärer Demenz oder Lewy-Körperchen-Demenz unterschieden.
Beobachtungsstudie: Es handelt sich um eine Kohortenstudie, nicht um eine randomisierte kontrollierte Studie (die höchste Form wissenschaftlicher Evidenz). Das bedeutet, wir können Zusammenhänge beobachten, aber keine eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung beweisen.
Praktische Empfehlungen für Ihren Alltag
Sollten Sie jetzt mehr Käse essen?
Während die Studienergebnisse vielversprechend sind, ist es zu früh für definitive Ernährungsempfehlungen allein auf Basis dieser einen Studie. Dennoch passt die Erkenntnis gut in das Gesamtbild einer gehirngesunden Ernährung:
Vielfalt ist der Schlüssel: Eine ausgewogene Ernährung mit verschiedenen Milchprodukten, Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten unterstützt die Gehirngesundheit.
Fermentierte Produkte einbeziehen: Joghurt, Kefir und fermentierte Käsesorten könnten zusätzliche Vorteile durch Probiotika bieten.
Qualität vor Quantität: Die Studie zeigte Effekte bereits bei einmal wöchentlichem Konsum – mehr ist nicht zwangsläufig besser.
Individuelle Faktoren beachten: Menschen mit Laktoseintoleranz, hohem Cholesterin oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen sollten mit ihrem Arzt sprechen.
Was Sie sonst noch tun können
Käsekonsum ist nur ein Puzzleteil der Demenzprävention. Die Lancet-Kommission identifizierte 14 modifizierbare Risikofaktoren [2], darunter:
- Körperliche Aktivität
- Soziale Kontakte pflegen
- Geistig aktiv bleiben
- Blutdruck und Blutzucker kontrollieren
- Nichtrauchen
- Moderater Alkoholkonsum
- Ausreichender Schlaf
Was sagt die internationale Forschung?
Die japanische Studie reiht sich in eine wachsende Zahl von Untersuchungen ein:
Eine finnische Langzeitstudie über 22 Jahre fand bei hohem Käsekonsum ein 28% niedrigeres Demenzrisiko [23] – ein Ergebnis, das mit der aktuellen Studie übereinstimmt.
Eine japanische Querschnittsstudie bei älteren Frauen zeigte, dass fermentierter Käse wie Camembert mit einem 55% niedrigeren Risiko für kognitive Beeinträchtigungen assoziiert war [7].
Die Hisayama-Studie fand einen Zusammenhang zwischen Milchproduktkonsum und reduziertem Alzheimer-Risiko [24].
Allerdings zeigen nicht alle Studien positive Ergebnisse. Eine systematische Übersichtsarbeit betont die Heterogenität der Befunde und die Notwendigkeit weiterer Forschung [10].
Ausblick: Wie geht die Forschung weiter?
Die Wissenschaftler fordern zu Recht weitere Untersuchungen [Jeong et al., 2025]:
- Dosis-Wirkungs-Beziehungen klären: Gibt es eine optimale Menge?
- Käsesorten vergleichen: Sind fermentierte Käse wie Camembert oder Blauschimmelkäse wirksamer als Schmelzkäse?
- Mechanismen aufdecken: Welche Inhaltsstoffe sind tatsächlich verantwortlich?
- Genetische Faktoren einbeziehen: Profitieren manche Menschen mehr als andere?
Fazit: Eine ermutigende, aber nicht definitive Erkenntnis
Die JAGES-Studie liefert interessante Hinweise darauf, dass bereits eine kleine Ernährungsgewohnheit – einmal wöchentlich Käse zu essen – mit einem niedrigeren Demenzrisiko verbunden sein könnte. Die Effektgröße war moderat, aber auf Bevölkerungsebene potenziell relevant.
Es wäre jedoch verfrüht, Käse als “Wundermittel” gegen Demenz zu bezeichnen. Vielmehr unterstreicht diese Forschung, was wir bereits aus anderen Studien wissen: Unsere Ernährung kann einen Beitrag zur Gehirngesundheit leisten – aber sie ist nur ein Teil eines komplexen Puzzles aus genetischen, lebensstilbezogenen und sozialen Faktoren.
Was Sie jetzt tun können: Betrachten Sie Käse als möglichen Teil einer gehirngesunden Ernährung – neben anderen bewährten Präventionsstrategien wie körperlicher Aktivität, sozialer Teilhabe und regelmäßiger ärztlicher Kontrolle Ihrer Risikofaktoren.
Referenzen
[1] WHO. Global Action Plan on the Public Health Response to Dementia 2017–2025. World Health Organization: Geneva, Switzerland, 2021.
[2] Livingston, G.; Huntley, J.; Sommerlad, A.; et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet 2020, 396, 413–446. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367-6
[3] Ministry of Health, Labour and Welfare. Basic Plan for Promoting Dementia Measures. Ministry of Health, Labour and Welfare: Tokyo, Japan, 2024.
[4] Ali, A.M.; Kunugi, H.; et al. Vitamin K in COVID-19—Potential Anti-COVID-19 Properties of Fermented Milk Fortified with Bee Honey as a Natural Source of Vitamin K and Probiotics. Fermentation 2021, 7, 202. https://doi.org/10.3390/fermentation7040202
[6] Bingöl, F.G.; Ağagündüz, D.; Budán, F. Probiotic Bacterium-Derived p40, p75, and HM0539 Proteins as Novel Postbiotics and Gut-Associated Immune System (GAIS) Modulation. Microorganisms 2024, 13, 23. https://doi.org/10.3390/microorganisms13010023
[7] Suzuki, T.; Osuka, Y.; Kojima, N.; et al. Association between the Intake/Type of Cheese and Cognitive Function in Community-Dwelling Older Women in Japan: A Cross-Sectional Cohort Study. Nutrients 2024, 16, 2800. https://doi.org/10.3390/nu16162800
[10] Villoz, F.; Filippini, T.; Ortega, N.; et al. Dairy Intake and Risk of Cognitive Decline and Dementia: A Systematic Review and Dose-Response Meta-Analysis of Prospective Studies. Adv. Nutr. 2024, 15, 100160. https://doi.org/10.1016/j.advnut.2023.100160
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[19] Cryan, J.F.; O’Riordan, K.J.; Cowan, C.S.M.; et al. The Microbiota-Gut-Brain Axis. Physiol. Rev. 2019, 99, 1877–2013. https://doi.org/10.1152/physrev.00018.2018
[20] Lovegrove, J.A.; Givens, D.I. Dairy food products: Good or bad for cardiometabolic disease? Nutr. Res. Rev. 2016, 29, 249–267. https://doi.org/10.1017/S0954422416000160
[21] Companys, J.; Pla-Pagà, L.; Calderón-Pérez, L.; et al. Fermented Dairy Products, Probiotic Supplementation, and Cardiometabolic Diseases: A Systematic Review and Meta-analysis. Adv. Nutr. 2020, 11, 834–863. https://doi.org/10.1093/advances/nmaa030
[22] Engberink, M.F.; Geleijnse, J.M.; de Jong, N.; et al. Dairy intake, blood pressure, and incident hypertension in a general Dutch population. J. Nutr. 2009, 139, 582–587. https://doi.org/10.3945/jn.108.096735
[23] Ylilauri, M.P.T.; Hantunen, S.; Lönnroos, E.; et al. Associations of dairy, meat, and fish intakes with risk of incident dementia and with cognitive performance: The Kuopio Ischaemic Heart Disease Risk Factor Study (KIHD). Eur. J. Nutr. 2022, 61, 2531–2542. https://doi.org/10.1007/s00394-022-02834-x
[24] Ozawa, M.; Ohara, T.; Ninomiya, T.; et al. Milk and dairy consumption and risk of dementia in an elderly Japanese population: The Hisayama Study. J. Am. Geriatr. Soc. 2014, 62, 1224–1230. https://doi.org/10.1111/jgs.12887
[27] Agriculture and Horticulture Development Board. Europe: How Much Do They Consume? 2025. https://ahdb.org.uk/europe-how-much-do-they-consume
Hauptquelle: Jeong, S.; Suzuki, T.; Inoue, Y.; Bang, E.; Nakamura, K.; Sasaki, M.; Kondo, K. Cheese Consumption and Incidence of Dementia in Community-Dwelling Older Japanese Adults: The JAGES 2019–2022 Cohort Study. Nutrients 2025, 17, 3363. https://doi.org/10.3390/nu17213363
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